KI und Industrie 4.0: Mehr Wertschöpfung mit anonymisierten Daten

KI Service - Industrie 4.0

Von Nils Klute, IT-Fachredakteur und Projektmanager Kommunikation Cloud Services bei EuroCloud Deutschland_eco e.V.

KI und Industrie 4.0: Mehr Wertschöpfung mit anonymisierten Daten

Künstlich intelligente Algorithmen entwickeln, um Serviceprozesse in der Industrie zu automatisieren, oder digitale Dienstleistungen realisieren, um Kund:innen passendere Produkte zu bieten – anonymisierte Daten machen es möglich. Welche Rolle der Datenschutz dabei spielt und wo die Fallstricke liegen.

Israel zählt zu den Impfweltmeistern. Bausteine des Erfolgs: Das digitalisierte Gesundheitssystem[1] und der Einsatz anonymisierter Daten. So macht das Land am Mittelmeer gemeinsame Sache mit den Impfstoffherstellern. Das israelische Gesundheitsministerium leitete wöchentlich nicht-personenbezogene Daten an Pfizer weiter. Informationen, die dabei helfen sollten, die Impfkampagne gezielter zu steuern und die Herdenimmunität rascher zu erreichen. Ein Modell, das auch hierzulande Schule machte. Im März 2020 gab die Telekom bekannt, anonymisierte Handydaten an das Robert Koch Institut (RKI) zu liefern. Das Ziel: Bewegungsströme abzubilden[2] und vorauszuberechnen, wie sich das Virus ausbreitet. Wie präzise und hilfreich derartige Prognosen sein können, hatte BlueDot bereits unter Beweis gestellt: Der Data-Analytics-Cloud-Service hat neun Tage früher als die Weltgesundheitsorganisation vor dem Ausbruch von COVID-19 gewarnt[3]. Dazu hatte das kanadische KI-Start-up aktuelle News aus Online-Medien, Berichte medizinischer Organisationen und anonymisierte Gesundheitsinformationen aus öffentlichen Quellen analysiert.

Anonymisierte Daten: Autonome Autos programmieren, KI-Algorithmen trainieren

Daten, die keine Rückschlüsse auf eine Person zulassen, sind überall gefragt. Sie sind notwendig, um autonom fahrende Autos zu programmieren, Algorithmen zu trainieren oder einfach auch nur dann unerlässlich, wenn Hersteller:innen ihre digitalen Produkte und Services verbessern möchten. Beispiel Software: Wer ein Betriebssystem installiert, erklärt sich dabei oft bereit, Fehlermeldungen mit den Anbieter:innen zu teilen. Informationen, die anonymisiert dabei helfen, Anwendungen zu verbessern und weiterzuentwickeln. Nichts Anderes möchte die Industrie. Was die Sache hier wie dort aber problematisch macht: „Ein Personenbezug von Daten ist in der Industrie 4.0 häufig ein unerwünschter, aber faktisch nicht vermeidbarer Nebeneffekt“, schreiben die Expert:innen der Plattform Industrie 4.0[4] in einem Diskussionspapier aus dem April 2020. „Für die Nutzung der Daten ist dieser Personenbezug oft ebenso unnötig wie hinderlich.“

Plattform Industrie 4.0: Anonymisierte Daten im Einklang mit dem Datenschutz nutzen

Nicht nur digitalisierte Produktionsbetriebe treibt das Problem um, sondern die Mobilität der Zukunft, wie der eco – Verband der Internetwirtschaft in einem Leitfaden[5] aufzeigt: Jurist:innen diskutieren beispielsweise damit verbundene Gewährleistungs- und Haftungsfragen. Gleiches möchte die Plattform Industrie 4.0 für die smarten Fabriken klären. Über 350 Akteur:innen aus 150 Organisationen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften und Verbänden versammeln sich in dem Netzwerk, das die digitale Transformation in hiesigen Fertigungsbetrieben voranbringt. Sie alle treten dafür ein, Daten möglichst offen zu nutzen – ohne den Schutz zu vernachlässigen.

Personenbezogen, pseudonym oder anonym: Keine objektive Abgrenzung

Egal, ob im vernetzten PKW oder in der vernetzten Fabrik – wann Informationen personenbezogenen sind, lässt sich nur aus dem Blickwinkel der Datenverarbeiter:innen klären. Denn: „Dieselben Daten können für verschiedene Verarbeiter personenbezogen, pseudonym oder anonym sein“, hält das Diskussionspapier fest. „Daher gibt es auch keine objektive Abgrenzung zwischen pseudonymen und anonymen Daten.“ Beispiel Betriebssystem: Stürzt die Software immer dann ab, wenn eine bestimmte Drittanwendung startet, dann sind die dazugehörigen Fehlermeldungen zwar für die Hersteller:innen personenbezogen – nicht aber für die Entwickler:innen der Anwendung. Anonymisierte Daten weisen den Weg, um die Applikationen für das Betriebssystem zu optimieren.

Konkrete technische Gestaltung und Umsetzung in jedem Einzelfall maßgeblich

Künstlich intelligente (KI) Algorithmen entwickeln, um Serviceprozesse in der Industrie zu automatisieren[6], oder digitale Dienstleistungen realisieren, um Kund:innen passendere Produkte zu bieten – auch in der Industrie 4.0 gibt es viele datenbasierte Use Cases, die keine Verarbeitung im Sinne der DS-GVO darstellen. „Wenn etwa in einer verteilten Datenhaltung die Daten in einem Silo für sich alleine keinen Personenbezug aufweisen, können diese Daten auch von einem Dritten ohne Verarbeitung nach Art. 4 Nr. 2 DS-GVO anonym genutzt werden“, halten die Expert:innen der Plattform Industrie 4.0 fest. „Eine Anonymisierung im Sinne einer Verarbeitung ist dafür nicht erforderlich.“ Zudem wäre es kontraproduktiv und innovationshemmend, jede Anonymisierung stets als Verarbeitung anzusehen. In jedem Einzelfall maßgeblich – die konkrete technische Gestaltung und Umsetzung. Schließlich gilt: „Sinn und Zweck der Datenschutzgesetze ist primär der Schutz des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, wozu auch die zweckgebundene Verarbeitung personenbezogener Daten gehört“, stellt das Diskussionspapier heraus. „Werden diese Daten anonymisiert, entfällt das Schutzbedürfnis.“

KI und Industrie 4.0: Anonymisierung als ein Lösungsbaustein

Ergo ist Anonymisierung nicht nur ein rechtlich legitimes Mittel, um Informationen zu schützen und den Forderungen der Gesetzgeber:innen zu entsprechen, sondern ein Lösungsbaustein, um digitale Wertschöpfungspotenziale der Industrie 4.0 auszuschöpfen. Laut KI-Studie des eco Verbands[7] braucht es einen „sicheren Rahmen zur schnellen Verwendung anonymisierter Daten“. Denn wird KI hierzulande flächendeckend eingesetzt, ist ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von über 13 Prozent bis 2025 (im Vergleich zu 2019) realistisch, was einem Gesamtpotenzial von rund 488 Milliarden Euro entspricht.

Das Diskussionspapier zur Anonymisierung im Datenschutz als Chance für Wirtschaft und Innovationen steht online zum Download bereit.


Dieser Artikel hat Ihnen gefallen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie regelmäßige Updates zu ähnlichen Themen und zum Projekt Service-Meister und diskutieren Sie mit uns zu diesem und ähnlichen spannenden Themen in unserer LinkedIn Gruppe.

Über Nils Klute
Nils Klute ist IT-Fachredakteur. Egal, ob für IT-Medien wie heise.de, zdnet.de und silicon.de, für IT-Unternehmen wie SAP, T-Systems und Sony oder für B2B-Agenturen wie Palmer Hargreaves, Pleon Kohtes Klewes (heute Ketchum) und rheinfaktor – Nils Klute schreibt und spricht seit mehr als 15 Jahren über die Themen, die die IT- und Digitalwirtschaft bewegen. Von der Datenwirtschaft mit Gaia-X über Künstliche Intelligenz im Mittelstand bis hin zu Cloud-Native-Technologien - als Projektmanager Kommunikation Cloud Services ist er bei EuroCloud Deutschland_eco e.V. für das Content Marketing rund um die Themen des Verbands verantwortlich. Zudem unterstützt er KI-Projekte wie Service-Meister und Initiativen wie EuroCloud Native, Channel2Cloud oder EuroCloud Next Leaders mit Blogbeiträgen, Namensartikeln, Interviews, Pressemitteilungen, Konzepten und Strategien. Beruflich wie privat ist er auf LinkedIn und Twitter unterwegs.