Erfolgreiche Datenprodukte strukturiert und strategisch entwickeln

KI Service - Industrie 4.0

Von Nils Klute, IT-Fachredakteur und Projektmanager IoT beim eco – Verband der Internetwirtschaft e. V.

Service-Meister setzt auf offene Plattformen und ein KI-basiertes Ökosystem. Jetzt startete im Workshop die Entwicklung erster Datenprodukte. In einer zweiteiligen Serie begleiten wir den Expertenaustausch. Lesen Sie in Teil 2: Was erfolgreiche datengetriebene Services auszeichnet.

Relevante Informationen im Netz suchen und sekundenschnell passende Treffer erhalten. Oder sich Bücher online nach dem eigenen Geschmack empfehlen lassen, statt sich durch das gesamte Angebot zu wühlen: „Beispiele wie Google und Amazon zeigen, welches Kapital in Datenprodukten steckt“, sagte Dr. Florian Wilhelm von inovex. Der Datenwissenschaftler lud gemeinsam mit Dr. Alexander Löser von der Beuth Hochschule und Prof. Steffen Staab von der Universität Stuttgart jetzt zum Online-Workshop ein, an dem die Schnellboote von Service-Meister teilnahmen. Das Ziel: Nicht nur Ideen finden und Richtungen bestimmen, um eigene datenbasierte Dienste für den Service in der Industrie 4.0 zu entwickeln, sondern auch die Methodik lernen. Denn: „Erfolgreiche datengetriebene Services setzen ein strukturiertes und strategisches Vorgehen voraus“, sagte Wilhelm.

Erst Datenlandschaft durchleuchten, dann Datenstrategie entwickeln

Welche Daten liegen im Unternehmen vor und welche fehlen? Wo entstehen Daten, wo sind sie gespeichert und in welchen Formaten liegen sie vor? Und welche Datenquellen lassen sich vielleicht aggregieren, um Informationslücken zu schließen? Um Datenprodukte überhaupt zu entwickeln, müssen Firmen ihre eigene Datenlandschaft durchleuchten. Was die Aufgabe herausfordernd macht: „Daten werden nicht ausgewertet oder nur in Silos verarbeitet, wodurch ein unternehmensübergreifender Kontext fehlt“, sagte Jörg Bienert, Vorsitzender beim KI Bundesverband und Partner bei der Data Science Beratung Alexander Thamm, im Interview auf servicemeister.org. „Um Daten im Unternehmen effizient und ganzheitlich zu nutzen, ist die Erstellung einer umfassenden, unternehmensweiten Datenstrategie erforderlich.“

Warum das notwendig ist, zeigt das Beispiel Tesla: Mit seinen digitalen Services schafft der Hersteller erst die Basis für sein Geschäftsmodell. Wo es den smarten Fahrzeugen anfangs an Daten fehlte, um autonom fahren zu können, sammelten die intelligenten Autos diese Informationen einfach selbst. Beim Fleet-Learning verarbeitet Tesla die Daten einzelner Autos, um daraus Erkenntnisse für alle Autos zu gewinnen. So entsteht ein selbstlernendes, selbstoptimierendes System. Selbst dann, wenn Nutzer bremsen oder gegensteuern müssen, um eine künstlich intelligente (KI) Entscheidung zu korrigieren, bessert sich die Steuerungssoftware nach. „Feedback-Loops wie diese optimieren das eigene Datenprodukt kontinuierlich“, sagte Wilhelm.

Datenprodukte am Nutzerkontext ansetzen

Digitale Services kontinuierlich optimieren und smart kapitalisieren – damit das gelingt, müssen datengetriebene Services an der richtigen Stelle der Value Chain ansetzen. Beispiel Turnschuhkauf: Wer joggen möchte, wählt einen Schuh, erstellt einen Trainingsplan, legt sich Strecken fest und läuft tageweise. „Entscheidend ist der Kontext, in dem Nutzer das Produkt anwenden“, sagte Wilhelm. „Ein Schuhhersteller könnte eine App entwickeln, die Strecken vorschlägt, den eigenen Lauf überwacht und Trainingspläne bereitstellt.“ Der digitale Dienst unterstützt Einsteiger und Experten gleichermaßen. Und alle Nutzer verbessern mit ihren Daten das Gesamtsystem.

„Auch für Service-Meister sind das interessante Konzepte, aber oft fehlt es gerade im B2B-Bereich an der notwendigen Datenbasis“, sagte Wilhelm. Verglichen mit B2C-Märkten hat die B2B-Industrie nicht nur weniger Kunden für eine bestimmte Lösung, sondern viele und unterschiedliche Anforderungen zu berücksichtigen. Und wo B2C-Anbieter Entwicklungskosten für Datenprodukte auf die Gesamtheit ihrer vielen Kunden umlegen können, macht die Situation mit wenigen B2B-Anwendern das finanziell unattraktiv. Um das Dilemma zu lösen, möchte Service-Meister später allgemeine, vorkonfigurierte KI-Bausteine bereitstellen, über die sich datengetriebene Dienste im Industrieservice besonders kostengünstig realisieren lassen.

Datenprodukte im Mittelstand: Geld fließt, Daten noch nicht

Welches Problem löst mein Datenprodukt? Wer ist die Zielgruppe? Und wie amortisiert sich die Entwicklung? Im Workshop von Service-Meister setzte Wilhelm auf ein Predictive Analytics Canvas. „Auch Start-ups planen und arbeiten mit diesen Schablonen, um sich und ihr Geschäftsmodell agil zu entwickeln“, sagte Wilhelm. „Der Canvas bietet Orientierung, deckt Aufgaben wie eine Checkliste ab und sichert, dass alle Schritte auf dem Weg zum eigenen Service eingehalten werden.“ Strukturiert leitet die Schablone die Anwender an, um von der Idee zum Minimum Viable Product zu kommen.

„Zwar fließt im Mittelstand Geld vom Kunden zum Anbieter, aber in den seltensten Fällen Daten“, sagte Wilhelm. „Damit in Zukunft digitale, datenbasierte Produkte und Services hierzulande florieren, muss nicht nur der Industrieservice umdenken.“ Laut einer Studie des Business Application Research Centers (BARC) nutzen nur 17 Prozent der Unternehmen das finanzielle Potenzial ihrer Daten aus. Ein Viertel der Studienteilnehmer schließt es sogar komplett aus, dass ihr Unternehmen mit Daten in Zukunft Geld verdient. Immerhin: 20 Prozent halten es doch für denkbar. Und bei vier von zehn Firmen sind entsprechende Pilotprojekte unterwegs, berichtet bigdata-insider.de.

Im ersten Blog-Beitrag über den Workshop lesen Sie, warum Plattformen Erfolgsgeschichten brauchen und wo das Potential für Europa und Deutschland liegt. „Ob Maschinenbau, Logistik oder Chemie – Branchen wie diese sind als Plattformmärkte für hiesige Unternehmen noch erreichbar. Die Firmen müssen jetzt die richtigen Entscheidungen treffen und langfristig investieren“, sagte Dr. Alexander Löser von der Beuth Hochschule.

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Über Nils Klute
Nils Klute ist IT-Fachredakteur. Egal, ob für IT-Medien wie heise.de, zdnet.de und silicon.de, für IT-Unternehmen wie SAP, T-Systems und Sony oder für B2B-Agenturen wie Palmer Hargreaves, Pleon Kohtes Klewes (heute Ketchum) und rheinfaktor – Nils Klute schreibt und spricht seit mehr als 15 Jahren über die Themen, die die IT- und Digitalwirtschaft bewegen. Von der Datenwirtschaft mit Gaia-X über Künstliche Intelligenz im Mittelstand bis hin zu Cloud-Native-Technologien - als Projektmanager Kommunikation Cloud Services ist er bei EuroCloud Deutschland_eco e.V. für das Content Marketing rund um die Themen des Verbands verantwortlich. Zudem unterstützt er KI-Projekte wie Service-Meister und Initiativen wie EuroCloud Native, Channel2Cloud oder EuroCloud Next Leaders mit Blogbeiträgen, Namensartikeln, Interviews, Pressemitteilungen, Konzepten und Strategien. Beruflich wie privat ist er auf LinkedIn und Twitter unterwegs.