In zahlreichen Geschäftsfeldern der deutschen Industrie kann derzeit ein grundlegender Wandel in der Wertschöpfung von Produkten hin zu Dienstleistungen beobachtet werden:

In der Vergangenheit konnten Firmen insbesondere durch den Verkauf hochwertiger Industrieanlagen (z.B. Druckerpressen) hohe Umsätze und Margen erzielen.

In den letzten Jahren hat jedoch, insbesondere durch eine steigende Anzahl an Marktteilnehmern aus Ländern mit geringeren Produktionskosten, der Preisdruck deutlich zugenommen und in vielen Geschäftsfeldern die Margen dieses traditionellen Geschäftsmodells deutlich verringert und teilweise sogar vollständig eliminiert.

Zudem scheuen Kunden zunehmend die, durch zukünftige Reparaturen und Wartungen unsichere Investition in teure Industrieanlagen und präferieren zunehmend “Betreibermodelle”, welche ihnen die Leistung von (teilweise sogar gemieteten) Industrieanlagen vertraglich zusichern (Vössing et al. 2019).

Im Maschinenbau ist dieses Geschäftsmodell bereits als “Machine-as-a-Service” bekannt. Statt des Verkaufs von Industrieanlagen erfordert dieses neuartige Geschäftsmodell von deutschen Mittelständlern die Nutzung des firmeninternen “Service-Wissen” (Konstruktionswissen über die Maschine, anstehende Einsätze und Wartungsaufgaben, optimale Maschinen- konfigurationen und den fortlaufenden Verschleiß), um ihren Kunden die vertraglich zugesicherte Verfügbarkeit oder den energie- und material-effizienten Betrieb zu garantieren.

Das für die Erbringung dieser hochwertigen Dienstleistungen nötige “Service-Wissen” zu industriellen Anlagen übersteigt aufgrund der zunehmenden Komplexität und der voranschreitenden Digitalisierung der Maschinen und Anlagen (z.B. durch den deutlich höheren Anteil an Mechatronik) bereits heute das Wissen selbst erfahrener Servicetechniker und z.T. sogar von Unternehmen. Wartungskonzepte im Rahmen von Betreibermodellen verlangen nicht nur die Umsetzung von klassischen, standardisierten Wartungsintervallen und -aufgabenlisten, sondern erfordern die Kombination von unterschiedlichsten Wissensquellen (d.h. Produktionspläne der Kunden, Sensormessungen zu Betrieb und Verschleiß, Maschinenhistorie, Konstruktion), um die Einsatzplanung auf die individuellen Bedürfnisse einzelner Maschinen anzupassen. Insbesondere können (zukünftige) Probleme von Industrieanlagen nicht nur durch die KI-basierte Analyse einzelner Maschinen erkannt werden (“Predicitve Maintenance”), sondern auch durch ebenfalls KI-basierte, kundenübergreifende Analysen von Maschinendaten identifiziert werden (“Peer-Group-Vergleiche”).

Die Durchführung solcher Analysen erfordert aber Kompetenz in der Bedienung von KI- und Big-Data-Analysen und übersteigt die Fähigkeiten von Servicetechnikern. Wie das Forschungsprojekt STEP zeigte, hat unter anderem aus diesen Gründen in der Praxis der “informelle” Wissensaustausch unter Mitarbeitern durch Chat-Applikationen wie Whatsapp und Facebook Messenger stark zugenommen1. Durch die fehlende Möglichkeit dieses Wissen in die Firma zurückzuführen sowie den zunehmen Mangel an hochqualifizierten Mitarbeitern, steht der deutsche Mittelstand in den nächsten Jahren vor einer enormen Herausforderungen seinen Vorsprung in der Erbringung von Dienstleistungen zu sichern.

Um den deutschen Mittelstand dabei zu unterstützen das, für Betreibermodelle notwendige, Service- Wissen zusammen- und bereitzustellen, wird eine anlagen-, abteilungen-, und firmenübergreifende Serviceplattform benötigt. Diese Plattform soll insbesondere den Wissensaustausch unter Technikern zentralisieren und zudem Mitarbeiterkommunikation, Service-Dokumente, und Sensordaten rechtssicher analysieren, mit dem Ziel das hieraus abgeleitete “Service-Wissen” Technikern automatisiert als “Service-Intelligence” zur Verfügung zu stellen. Service Intelligence kann neben der Nutzung von Außendienstmitarbeitern zudem die Vertrieb- und die Entwicklungsabteilungen unterstützen.

Der Vertrieb benötigt das Wissen zur Erstellung von Machine-as-a-Service-Angeboten um für den speziellen Einsatzfall (Einsatzumgebung, Auslastung, etc.) zu einer tragfähigen Kostenkalkulation zu gelangen. Die Entwicklungsabteilung wiederum benötigt das Wissen um die nächste Generation von intelligenten Industrieanlagen zu konstruieren. Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) haben bereits punktuell, sowohl in der Praxis und als auch in der Forschung, bewiesen Service-Intelligence ermöglichen zu können (Kühl et al. 2019). Allerdings sind die bestehenden Verfahren bisher noch nicht ausreichend um

  • a) den Service-Prozess durchgehend zu unterstützen und
  • b) als zentrale Serviceplattform auch dem Mittelstand finanzierbar zur Verfügung zu stehen. Desweiteren
  • c) erlauben bestehende KI-Ansätze keine Interaktion von Fachanwendern mit den Daten. Dazu sind Stand heute speziell ausgebildete Analysten notwendig (Data Scientists), die aus den vorhandenen Daten die Intelligence bereitstellen.

Service-Meister wird diese Serviceplattform darstellen und damit die Voraussetzung für ein Serviceökosystem schaffen, da sie insbesondere Mittelständlern ermöglicht externe Partner in die Erbringung von Dienstleistungen für ihre Kunden einzubinden. So wird es durch Service-Meister möglich sein, dass externe Mitarbeiter z.B. Plattenwechselfehler an Druckmaschinen eines Fremdherstellers beheben, weil sie durch Service- Meister intelligent unterstützt werden. Durch KI und Smart Services digitalisiertes Expertenwissen kann geteilt und weltweit zur Verfügung gestellt werden und ermöglicht so die Befähigung weiterer Partner selbstständig hochwertige Dienstleistungen im Ökosystem anbieten zu können. Durch diese KIbasierten Systeme auf der Service-Meister-Plattform können also auch Externe Dienstleistungen auf Basis der Serviceplattform erbringen. Nur so entsteht für alle Beteiligten ein sogenanntes Serviceökosystem. Diese neue Zusammenarbeitsform stärkt nachhaltig den Mittelstand und den Industriestandort Deutschland.



Das Projekt Service-Meister entwickelt und validiert solch eine KI-basierte Serviceplattform für den deutschen Mittelstand. Mittels künstlicher Intelligenz und der in Service-Meister bereitgestellten Smart Services wird die Komplexität der Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen von Betreibermodellen (z.B. Machine-as-a-Service) beherrschbar. Trotz begrenzter Mitarbeiterressourcen kann dieser Sektor durch die Unterstützung der Smart Services auf der Service-Meister-Plattform wie z.B. eines digitalen Ratgebers in Form eines ServiceBots marktführende Dienstleistungsangebote kosteneffizient und wettbewerbsfähig betreiben. Service-Meister konzentriert sich dabei auf die folgenden Bereiche: (1) Schaffung eines Standards für die einfache Informationsintegration entlang der Service-Prozesskette (Service-XML) und zur einfachen Integration von Partnern in das Serviceökosystem (Plug-and-Play-Plattform) (“Service-XML ist das OPC-UA für Software!”), (2) die Entwicklung einer unternehmens- und maschinenübergreifenden Plattform, die sowohl Techniker mit Maschinen als auch Techniker untereinander verbindet und (3) die Entwicklung von KI-basierten Services (wie z.B. ServiceBots), welche Technikern ermöglichen mit der verfügbaren Wissensbasis zu interagieren und Routineaufgaben zu automatisieren (z.B. tausende Serviceberichte automatisiert verstehen und zusammenzufassen), so dass für Servicemitarbeiter digitale Ratgeber entstehen (Talk-To-Reports)

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